GEOMETRISCHE SEELENZUSTÄNDE

unnamed (1)Große Namen, gute Qualität bei der zweiten großen Dorotheum-Auktionswoche des Jahres 2015. Vom 9. bis 12. Juni liegt dabei der Schwerpunkt bei Zeitgenössischer Kunst und Klassischer Moderne sowie Silber. Juwelen, Armband- und Taschenuhren stehen ebenfalls auf dem Auktionsprogramm.

Ausgesprochen international ausgerichtet ist das Angebot bei der Auktion „Zeitgenössische Kunst“ am 10. Juni 2015: Arbeiten von Enrico Castellani, Lucio Fontana, Ilya Kabakov, Adolf Luther, Otto Piene, Robert Rauschenberg, Paolo Scheggi, Cy Twombly, Günther Uecker oder Victor Vasarely u.v.m. werden versteigert. Eines der Toplose, Ilya Kabakovs „Landscape with a Pioneer camp 1973“, war 2004 Teil einer großen Installation Kabakovs, gezeigt im Museum of Contemporary Art, Cleveland, als Einzelausstellung namens „The Teacher and his Student: Charles Rosenthal and Ilya Kabakov“. Ein anspielungsreiches, mit Elementen sozialistischer wie suprematistischer Malerei gespicktes Gemälde (Schätzwert € 450.000 – 600.000). Ein weiteres bedeutendes Auktionsobjekt ist Günther Ueckers mit Nagelfeldern und Handausschnitten versehene „Kiste“ von 1968, in seiner Widmung beschrieben „mit meinen eigenen Händen gemacht“. Sie war Bestandteil einer Installation in der Kunsthalle Baden-Baden, in der Uecker mit Gerhard Richter eine Zeitlang lebte und arbeitete – als „Beispiel für die Auflösung bestehender Museumspraktiken“ (€ 270.000 – 320.000). Mit Arnulf Rainers früher Übermalung, eigentlich die (unbetitelte) „Überdeckung“ oder Otto Muehls Selbstporträt stehen österreichische Werke zur Disposition (€ 40.000 – 60.000, € 60.000 – 80.000). Auch aus der jüngsten Gegenwart finden sich Arbeiten in der Auktion, etwa von Thomas Schütte, Katharina Grosse, Andre Butzer, Martin Eder, Jonathan Meese, Eberhard Havekost, Christian Rosa. „Meditation on illusion“ nennt der Londoner Künstler Marc Quinn sein weißbemaltes Bronzeskelett in Medidationspose (€ 80.000 – 120.000, Nr. 1 von 6 Exemplaren). Bemalte und glasierte Terrakotta-Figuren aus den 1950er und 1960er Jahren des italienischen Avantgardisten Lucio Fontana, mit seinen „Tagli“ (Schnitte in Bildern) weltweit bekannt, stehen im Zentrum der hochqualitativen Italien-Offerte. Seine lebendigen, spontanen, expressiven und äußerst plastischen Kreationen sind zwischen 75.000 und 220.000 Euro geschätzt. Zwischen Skulptur und Designobjekt angesiedelt ist die ovale, in glänzend rotem Fiberglas gefertigte, nahezu zwei Meter große Skulptur von Agostino Bonalumi (€ 180.000 – 250.000). Von römischen Wandzeichnungen inspiriert ist Cy Twomblys Zeichnung „Ohne Titel (Rom)“ von 1962 (€ 200.000 – 250.000). Lebendig echt wirkt die italienische Pop-Diva Gianna Nannini als lebensgroßer Sublimationsdruck auf dem „Porta bianca“-Spiegelobjekt von Michelangelo Pistoletto (€ 80.000 – 120.000). Modernismus pur ist „Linee“, eine geometrische Messing-Skulptur aus dem Jahr 1961 des Bildhauers Fausto Melotti, der von der Kunst behauptete „ein engelsgleicher geometrischer Seelenzustand“ zu sein. Er verwendet Metall, um sich der Zeichnung anzunähern, seine hauchdünnen geschmeidigen Gebilde lassen an Miro, Giacometti und die Mobiles von Calder erinnern (€ 150.000 – 200.000).

Den radikalen Geist der Nachkriegsmoderne verkörpert Piero Manzoni u. a. mit „Achrome“, einem 200.000 bis 300.000 Euro geschätzten, aus weißen Leinwandflächen genähten Bild. Manzoni zur Thematik: „Mir geht es darum, eine völlig weiße (oder besser noch: völlig farblose, neutrale) Fläche zu schaffen, die jenseits jeder malerischen Erscheinung und jedes fremden, den Wert der Fläche ergänzenden Eingriffs ist: Eine weiße Farbe nämlich, die weder eine polare Landschaft, noch ein suggestives Sujet oder ein schönes Sujet ist, weder ein Gefühl noch ein Symbol oder sonst noch etwas darstellt: Eine weiße Fläche, die schlicht und einfach eine weiße Fläche ist.“  Konkrete weiße (Schnee-)Flächen gibt es hingegen bei der Auktion „Klassische Moderne“ am 9. Juni 2015. Das Gemälde „Schneelandschaft bei Elmau“ nimmt eine zentrale Stellung im künstlerischen Werk Gabriele Münters ein, es markiert den Übergang vom Stil der Neuen Sachlichkeit zu einer gemäßigten Moderne. Bis 1924 hielt sich Münter mehrfach in Schloss Elmau auf; währenddessen entstanden vor allem zartlinige Skizzen aus der verschneiten landschaftlichen Umgebung. Kaum jemand konnte Schnee so darstellen wie Alfons Walde: „Bauernsonntag“ und „Almen in Schnee“ zeigen das Genre Winterbildnis in seiner besten Form (€ 250.000 – 300.000 und € 280.000 – 360.000). Zwei Frauenakte huldigen wiederum dem Körper: Marino Marinis 134 cm große Bronzefigur „Danzatrice“ (Tänzerin € 150.000 – 200.000) sowie ein minimalistisch-perfekter Rückenakt von Amedeo Modigliani (€ 60.000 – 80.000). Aus den späten Lebensjahren Pablo Picassos stammt eine mit flottem Wachskreide-Strich gesetzte Kopfstudie eines Mannes (€ 200.000 – 250.000). Für seine fast naiven üppigen Figuren ist Fernando Botero bekannt, so auch „Ein Dieb“ (€ 130.000 – 180.000). Zwei Gemälde von Carl Moll aus den 1930er Jahren, ein Wiener Motiv mit Stillleben sowie ein „Stillleben mit Blumentöpfen und Zweigen“ zeigen ihn auf der Höhe seiner Kunst (€ 90.000 – 160.000, € 70.000 – 100.000). Ein Höhepunkt der Silber-Auktion am 9. Juni 2015 ist ein goldener Deckelbecher der Zarin Elisabeth Petrowna (1709 – 1762). 50.000 bis 70.000 Euro beträgt der Schätzwert für die Goldschmiedearbeit des Grigorij Lakomin. (Foto: © Dorotheum)

DAS KUNSTMAGAZIN
KUNSTINVESTOR  Nr. 5 
Ausgabe Mai 2015
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